Der globale ökologische Kollaps wird sich nur vermeiden lassen, wenn es gelingt, die Wirtschaft zum Schrumpfen
zu bringen. Dreck kann nicht "beseitigt" werden, sondern immer nur verschoben. Ich möchte diese Tatsache hier
nur ganz kurz begründen.
Bei der Behandlung von Umweltproblemen gibt es zwei Strategien: Konzentration von Dreck und Verdünnung von
Dreck. Ein Beispiel für das erste ist die Müllabfuhr, die den dezentral anfallenden Müll sammelt
und zentral deponiert, für das zweite die Dünnsäureverklappung. "Beseitigung" von Dreck gibt es
dagegen nicht. Zum Beispiel führt Mülldeponie zu Sickerwässern, deren Behandlung in Kläranlagen
wiederum zu giftigem Klärschlamm, dessn Verbrennung zu giftigem Rauch, dessen Filtrierung zu giftigen Filterstäuben.
Der Dreck wird also immer bloß verschoben. Dabie ist jede Verschiebung mit Energieumsätzen verbunden,
die nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu gesteigerter Entropie führen. Deshalb ist jede Konzentration
von Dreck notwendig mit einer Verdünnung von Dreck an anderer Stelle verbunden.
Bestenfalls kann es gelingen, den im Wirtschaftsprozess anfallenden Dreck in künstliche und natürliche
Kreisläufe einzufügen, aber auch dies ist stets mit einem Aufwand an Energie verbunden. Wirtschaft bedeutet
also stets. wie auch Georgescu-Roegen beschrieben hat, die Produktion von Entropie, wachsende Wirtschaft, insbesondere
auch wachsender technischer Umweltschutz, bedeutet wachsende Entropie.
Nun setzt jedes Leben Energie um und erzeugt damit Entropie. Es hat sich im Lauf der Evolution ein Gleichgewicht
zwischen einfallender Sonnenenergie und des Nachts ans kühle Weltall abgegebener Entropie eingestellt. Durch
den zusätzlichen Umsatz an fossiler und Kernenergie und die damit anthropogen zunehmende Entropie kommt dieses
Gleichgewicht aber bald an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Die Klimakatastrophe macht es deutlich.
Wirtschaftswachstum hat viele Gründe. Einer ist die historische Entwicklung der Wirtschaftsgesinnung weg vom
Gedanken eines Wirtschaftens, das den jeweils standesgemäßen Lebensunterhalt sichern soll, hin zu einem
Gewinnstreben, das per definitionem keine Schranke kennt. Ein anderer Grund ist, dass das Wachstum des kapitalistisch
bestimmten Sektors des Lebens zu einem gleichzeitigen Wachstum des Mangels führt, weil der Bereich der Subsistenzwirtschaft
(Eigenarbeit) zerstört wird und durhc Schattenarbeit ersetzt wird, was bedeutet, dass ein Mangel an Waren
auftritt, der wieder durch Wachstum beseitigt werden soll; ein Mechanismus, auf den Ivan Illich hingewiesen hat.
Nebenbei bemerkt folgt daraus, dass Schrumpfen der Wirtschaft keineswegs ein schlechteres Leben bedueten muss.
Schließlich ermöglicht Wirtschaftswachstum auch die Beruhigung des Proletariats durch zunehmenden Konsum,
ohne dass sich der Abstand nach "oben" verringern müsste.
Solche Faktoren müssen aber auch in ein Wirtschaftssystem umgesetzt werden, es muss auch auf der Ebene des
alltäglichen Funktionierens der Wirtschaft Gründe für das Wachstum geben. Hier steht oben an der
Vorteil, den die Größe einer Firma im Konkurrenzkampf bietet. Bis zu einem gewissen Grad bedeutet größere
Maschinerie effizientere Produktion, dies ist sozusagen Naturgesetz; darüber hinaus bedeutet Größe
einer Firma größere Marktmacht, die möglichkeit, von Lieferanten bessere Konditionen u erzwingen,
Fähigkeit zum Dumping etc.. Das System der Martwirtschaft belohnt also die durch das Gewinnstreben gestzte
Tendenz zur Vergrößerung der einzelnen Wirtschaftseinheiten. Dies allein erklärt zwar noch nicht
das Wachstum der gesamten Wirtschaft, denn es wäre ja auch möglich, dass gelichzeitig die zahl der Firmen
abnimmt (was sie ja auch tut), und zwar so stark. dass damit der Effekt der wachsenden Einzelbetriebe ausgeglichen
würde. Die Umkehrung jedoch ist schlüssig: Wenn die einzelnen Betriebe staginerien oder schrumpfen, könnte
weiteres Wachstum nur durhc Zunahme der Zahl der Betriebe stattfinden, die ihrerseits jedoch durhc ide Größe
der Bevolkerung bzw. die von ihr zu leistenden mege an Managerarbeit beschränkt ist. Bei staginierender oder
schrumpfender Bevölkerung – diese Voraussetzung ist ökologisch ohnedies unabdingbar – würde also
ein Schrumpfen der Einzelbetriebe ein Schrumpfen der gesamten Wirtschaft verursachen. Ich möchte deshalb einen
Vorschalg machen, wie der Konkurrenzvorteil wachsender Betriebsgrößen aufgehoben und wirtschaftlicher
Druck zur Verkleinerung ausgeübt werden könnte.
Es handelt sich bei diesem Vorschlag um eine Veränderung im Steuersystem. Ich schlage vor, eine progresive
Vermögenssteuer und eine progressive Umsatzsteuer einzuführen.
Die progresive Vermögenssteuer stünde rfür sich allein noch nicht im Widerspruch zu großen
Firmen: diese müssten sich eben als Genossenschaften oder als AGs organisieren und ihre Anteile entsprechend
weit streuen. In Teilbereichen aber, etwa der Agrikultur, würde diese Maßnahme allein schon konzentrationshemmend
wirken. Nebenbei hätte sie einen egalisierenden Einfluss auf die Vermögensvereteilung in der Bevölkerung,
und Vermögen gibt Anrecht auf einen Anteil am Profit. Eine solche Steuer ist eine viel elegantere Art, den
Privatbesitz an Produktionsmitteln unschädlich zu machen, als deren Verstaatlichung. Natürlcih soll man
sich keine Illusionen über Wirtschaftsdemokratie in Aktiengesellschaften oder Genossenschaften machen, aber
bei einer Verkleinerung der Betreibsgröße, wie sie dieser Vorschlag anstrebt, ist der Fall vielleicht
nicht hoffnungslos. Außerdem sind hier gesetzliche Verbesserungen möglich.
Zur finanztechnischen Seite: es müssen die verschiedenen Formen von Vermögen unterschieden werden. Beim
Vermögen an Grund und Boden hat bereits die Bodenreformbewegung um die [vorletzte] Jahrhundertwende die Besteuerung
nach dem Verkehrswert durchgesetzt. Es bereitet den Finanzämern also keinen zusätzlichen Aufwand, hier
einen progressiven Steuersatz anzuwenden.
Vermögen an Produktionsmitteln und Immobilien sind auch bereits fiskalisch erfasst, da die Abschreibungen
von der Steuer abgesetzt werden. Geldvermögen und Aktien ließen sich über die Banken erfassen.
Gehortetes Bargeld müsst wohl unversteuert bleiben.
Der entscheidend Druck zur Verkleinerung der Betriebe ginge von der progressiven Umsatzsteuer aus. Der derzeitige
Modus ihrer Berechnung ist folgender: auf den Preis, den der Kunde zu zahlen hat, wird Umsatzsteuer geschalgen.
Es gibt heir verschiedene Steuersätze je nach Art der Ware. Jede Firma kauft aber ihrerseits wieder Waren
und Dienstleistungen, auf denen auch Steuer liegt. Diese in den Lieferantenrechnungen enthaltenen Steuerbeträge,
die Vorsteuer, wird von den in de nKundenrhnungen enthaltenen Steuerbeträgen abgezogen. Die Differenz geht
ans Finanzamt. Durch diesen Abzug der Vorsteuer wird erreicht, dass nicht der Umsatz, sondern, dem namen der Steuer
entsprechend, der Mehrwert besteuert wird. Dies kann so auch beibehalten werden. Es gäbe weiternhin feste
Steuersätze, die auf die Preise geschlagen werden und auch entsprechend als Vorsteuer abgezogen werden können.
Der an das Finanzamt zu zahlende Betrag wäre aber nicht mehr die Differenz, sondern berechnete sich aus ihr
derart, dass je nach ihrer Größe mehr oder weniger gezahlt werden müsste. Auf diese Weise würde
ein großer Betrieb mehr Umsatzsteuer zahlen, als er auf die Kundenrechnungen schlagen konnte, er müsste
also seine Grundpreise entsprechend erhöhen und verlöre so seinen Konkurrenzvorteil gegenüber kleinen
Betrieben.
Freilich gibt es Arten von Betreiben, die notwendigerweise sehr groß sein müssen, wie etwa Bergwerke.
Diese müssten dann sehr viel mehr Stueren entrichten als etwa ein Einzelhändler. Dies ließe sich
entweder durch unterschiedliche Steuersätze für die entsprechenden Waren ausgleichen, oder man nimmt
die Verteuerung der jeweiligen Waren in kauf, da sie ja – um bei diesem Beispile zu bleiben – alle Bergwerke gleichermaßen
trifft. Zu bedenken ist auch, wie eine progression, die die gesamte Größenskala der Betriebe umfasst,
in einzelnen Branchen, die nur einen Teil dieser Skala ausfüllen, hinreichend diferenzierend wirken kann.
Wahrscheinlich müsste die Progressin logarithmisch ansteigen.
Die skizzierte Steurereform würde sich vermutlich auch positiv auf die Beschäftigungssituation auswirken,
da Rationalisierungen im allgemeinen kapitalintensiv sind und deshalb eher von großen Betrieben durchgeführt
werden können. Außerdem werden Neugründungen erleichtert, wenn es weniger auf großes Startkapital
ankommt. Auch die Aussichten für die Einührung mittlerer, angepasster Technologie dürften sich verbessern.
Natürlich bleiben viele Fragen offen: würde es genügen, die Änderung Aufkommensneutral zu gestalten,
um die Wirtschaft zum Schrumpfen zu bringen? Wie stark soll die Progressin sein, wie hoch der Grundfreibetrag?
Zweifellos gäbe es auch Übergangsprobleme, die sich jedoch durch eine schrittweise Verschärfung
der Progression abmildern ließen. Ferner gäbe es sicher Probleme mit Kapitalflucht, und auch die Wirkungen
auf eine stark exportorientierte Volkswirtschaft sind zu bedenken. Allerdings ist es ohnehin an der Zeit, die Dogmen
des Freihandels in Frage zu stellen.
Der entscheidende Nachteil des hier gemachten Vorschlag ist, daß er sich auf den Staat verlassen muss. Aber
weder die Abschaffung des Staates noch des Geldes dürfte bis auf weiteres möglich sein.
Erstmals veröffentlicht in:
Contraste. Die Monatszeitung für Selbstverwaltung, Nr 73 (7. Jahrgang), Oktober 1990, S. 12, Heidelberg.