Alle reden von Digitalisierung. Wenn „wir“ nicht uns schleunigst digitalisieren, können wir
„dem Chinesen“ nicht Paroli bieten! (Zur Erinnerung: die Chinesen sind die mehreren.)
Aber was meinen die Leute eigentlich mit „Digitalisierung“?
Hier eine kleine, ungeordnete Liste:
- Digitalisierung der Artillerie: Interkontinentalraketen können präzise ins Ziel gelenkt werden;
„smart Bombs“, Boden-Luft-Rakteten mit selbsttätiger Zielerfassung, Cruise Missiles;
- autonomes Autofahren
- Uber statt Taxi, AirBnB statt Pensionen
- Pflegeroboter
- Clickarbeit (Crowdworking, Gig economy: z.B. die scheinselbständigen Uber-Fahrerinnen; vgl. Crouch,Colin (2019),
Will the Gig Economy Prevail? Cambridge, 114 S.)
- weitere neue Berufe: InfluencerIn
- Eltern ignorieren die Versuche ihrer Kleinkinder, Kontakt zu ihnen aufzunehmen, oder weisen sie barsch ab, weil sie
mit Whatsapp beschäftigt sind
- Vollständige Speicherung der gesamten menschlichen Kommunikation (soweit nicht traditionell
mündlich oder per Brief) durch die NSA und Zuckerberg (vgl. Zuboff, Shoshana (2018), das Zeitalter des
Überwachungskapitalismus. Frankfurt/NY)
- Smart Home: der Kühlschrank entscheidet, was und ob es etwas zu essen gibt, und die HackerInnen, ob ich in mein
Heim hineinkomme oder nicht
- Videokameras an jeder Kreuzung, die mit automatischer Gesichtserkennung ausgestattet sind
- und darüber hinaus mittels sog. künstlicher Intelligenz seltsames (abweichendes, verdächtiges)
Verhalten registrieren
- ich mache nicht mehr 50 Photos im Jahr, sondern 50 am Tag
- Wirecard
- Kryptowährungen in Blockchain-Technologie; die Blockchain wird mit jeder Transaktion länger und
verbraucht entsprechend mehr Strom
- Industrie 4.0: keine Arbeitsplätze mehr
- passgenaue Werbung dank Google und Facebook
- schnellere Verbreitung meiner neuesten Verschwörungstheorien
- geistige Arbeit wird durch copy and paste ersetzt
- Tinder; Flirtportale mit hauptberuflichen Flirtpartnerinnen (dazu gab es November 2020 einen SZ-Artikel); neue Möglichkeiten für Heiratsschwindler_innen
- die Band braucht keinen Drummer mehr
- Online-Shopping mitsamt den Implikationen für Verkehr, Müll, Stadtstruktur
- Musik und Video streamen statt CD/DVD (größerer Fußabdruck ab dem dritten Hören)
- Pornos in jedem Kinderzimmer
- bessere Schreibmaschinen (Textverarbeitung)
- Powerpoint (man versucht die ganze Zeit, sowohl dem Vortrag zu folgen als auch die Folien zu lesen und ist dadurch kognitiv so stark angestrengt, dass man gar nicht merkt, wie hohl der Vortrag ist)
- man lässt sich von A nach B dirigieren und muss nicht mehr die Kunst des Kartenlesens üben
- bessere Wetterprognosen
- Nudging als unterschwellige Verhaltensbeeinflussung: kommerziell oder administrativ
- man kann jetzt die Vorgänge bei der Explosion einer Atombombe simulieren und muss sie nicht mehr in echt
ausprobieren (auch andere Dinge können simuliert werden, z.B. das Weltklima)
- autonome Tötungssysteme, Drohnenkrieg
- der Kauf eines Tickets dauert jetzt viel länger als in den 60er-Jahren (dafür wird die Buchhaltung
gleich miterledigt)
- Wikipedia
- Gamification
- Versicherungsrabatte bei kontrolliertem Wohlverhalten
- Deep Fake: beliebige Videos und Audios von jeder Person können bereits jetzt künstlich in täuschender Qualität hergestellt werden (vgl. SZ 6.9.21, „Pixelwesen“)
Was davon wollen wir als Gesellschaft? Werden wir gefragt?